14.08.2007

Teil 2

Zuspitzung der Dramatik oder wie erste aufkeimende Zweifel am Besten mit einer ordentlichen Portion Einbildung erstickt werden können


Auch der zweite Abend mit ihm war geprägt von süßen Momenten, jeder Menge Süßholzrasplerei auf seiner Seite und jeder Menge sich gigantisch schnell entwickelnder Gefühle auf meiner Seite des Tisches. Genau eine Woche nach dem ersten erfolgreichen Beschnuppern sind wir dann schon als Pärchen auf einer Geburtstagsparty einer Freundin aufgetaucht. Er hat einfach dort den Arm um mich gelegt und mich vor allen auf den Mund geküsst. Das war ja auch sehr in meinem Einverständnis und sein Reviermarkieren stieß bei mir auf keinerlei Widerstand. An dieser Stelle wird mir gerade bewusst, dass ich es ihm wirklich nicht einmal schwer gemacht habe in dieser kurzen Zeit. Nachdem er den Gipfel der Lust schon innerhalb der ersten 8 Stunden bestiegen hatte, wurde es dann zunehmend immer schwerer ihn mit neuen Sinneindrücken bei der Stange zu halten, denn wie noch Steigern, wenn es kaum mehr eine Steigerung gibt. Die Idee, dass ich ja nicht umsonst jede Menge Bücher lese oder vielleicht andere positive Eigenschaften haben könnte, hat leider ein bisschen auf sich warten lassen. Bis dahin ließ ich mal den Auto-Piloten laufen, der sich im Bereich von Affären und Belanglosem besonders gut auskennt.

An dieser Stelle möchte ich vielleicht zu meiner Verteidigung anbringen, dass die lange Sehnsucht nach einer Beziehung einen dazu verleiten kann, ohne jegliche Geduld alles gleich haben zu wollen und zusätzlich mit einer extra fetten rosa Brille durchs Leben zu gehen! Spätestens nachdem wir dann eine Woche nach unserem ersten Treffen an den Ort des ersten Blickkontakts zurückgekehrt sind, um noch mal ordentlich an der Stelle zu Knutschen an der wir uns zuerst geküsst haben, war ich dann wohl irgendwie gar nicht mehr Herr bzw. Frau meiner Sinne. Sehr zur Überraschung von allen meinen Freunden habe ich gleich am nächsten Tag laut und mit Nachdruck in die Welt posaunen müssen, dass ich wieder vergeben bin und mir sicher bin, dass das diesmal etwas total festes ist. Wahrscheinlich hab ich mir das eher selbst versichern müssen als allen anderen. Ich bin wohl mal wieder mit meinem Herzen nicht wirklich vorsichtig umgegangen und habe es nach gerade mal 3 Treffen (und 3 wunderbar leidenschaftlichen Nächten wohlgemerkt) mit Inbrunst und sehr viel Leidenschaft einem Kerl mit dem poetischen Namen Michelangelo Libido in die Hand gedrückt. Ohne ihn wirklich zu kennen, habe ich ihm in kürzester Zeit meinen sorgsam gebackenen Beziehungskuchen, den man ja eigentlich maßvoll auf die besonderen Menschen, die man in seinem Leben trifft verteilen sollte, nahezu nachgeschmissen. Anders metaphorisch gesprochen habe ich die sorgsam um mich rum aufgebaute Mauer der Unabhängigkeit eingerissen und mich ohne einen letzten Zweifel an der Sache zu lassen, mit allem was dazu gehört in diese Beziehung gestürzt. Es spielt ja eigentlich kaum eine Rolle, was er für ein Kerl er ist, denn mein Bauchgefühl ist sich ja zum Glück total sicher, dass die ganze Sache eine gute Idee ist! Hauptsache die Szenerie entspricht meiner Vorstellung von Romantik, Theatralik und Tiefgang und hat wahnsinnig viel Bedeutung, weil ja alles immer Bedeutung haben muss und man Menschen ja auch immer aus einem bestimmten Grund trifft. In diesem Fall sehr eindeutig und sofort klar für mich erkennbar:


Die Liebe meines Lebens.

Michelangelo Libido

Der gemeinsame Einzug in sein Haus in LA lief schon vor meinem inneren Auge ab und was mich ab diesem Zeitpunkt wirklich beschäftigte, war die Frage, ob tatsächlich Kinder mit etwas dunklerer Hautfarbe, aber dafür meinen blonden Haaren entstehen können. Die kleinen Schönheitsfehler an der ganzen Geschichte, wie das sehr unregelmäßige Melden, einem ordentlichen Maß an Distanz, wenn man gerade mal nicht zusammen ist oder manch andere merkwürdige Situationen, in der wir uns die nächsten Wochen befanden, habe ich ohne weiteres durch meine überaus blühende Fantasie ausgleichen können. Wirklich bewundernswerte Eigenschaft meinerseits eigentlich, die sogar genügend PLAUSIBLE Gründe für die Tatsache gefunden hat, dass ich nicht mal auf seine Geburtstagsfeier eingeladen war. Interessant war auch die Szene, der ich ausgesetzt war, als ich ihn zufällig in einer Pizzeria getroffen habe. Umrundet von drei paar Frauenaugen, die verdächtig oft verliebte Blicke in seine Richtung warfen, war ich doch etwas verwundert darüber, dass er mir eigentlich gesagt hatte, dass er beschäftigt sei. Nichts desto trotz konnte das ja so nicht stehen gelassen werden, weil meinem viel zu gut ausgeprägtem Ego nach, kann es ja wohl kaum sein, dass er sich nicht wirklich in mich verliebt hat! Und außerdem ist da ja immer noch mein sehr gut funktionierendes Bauchgefühl, das mich über jeden Zweifel erhaben sein lässt!

In einem von mir ausgesuchten romantischen Setting haben wir anschließend an diese etwas unerfreulicheren, aus dramatischen aber definitiv plausiblen Gründen geschehenden Missverständnisse, zwei unvergleichlich tolle Mittage verbracht. Incredible days with lots of passion, romance and great conversation. Leidenschaftliches Küssen auf einem Burgturm, Baden an einem romantischen Weiher und eng umschlungen auf dem Roller durch die Weinberge fahren war genau meinen Vorstellungen entsprechend und etwas anderes hatte ich ja auch gar nicht erwartet, weil die Hoffnung schließlich immer zuletzt stirbt und ich doch durchaus über Attribute verfüge, die etwas unentschlossenen Männer durchaus überzeugen können. Die Rollen waren ja auch schon am Anfang des Tages verteilt worden und ich war überaus glücklich zu sehen, dass er sich entsprechend der von mir geschriebenen Regieanweisungen verhalten hat. Zwei Tage, die mich alles drum herum vergessen ließen und mich wieder bestätigten, dass ich doch Recht gehabt hatte. Vielleicht waren sie jedoch auch nur von mir inszeniert worden, um wenigstens vor mir selber Recht behalten zu können. Groß war natürlich die Enttäuschung, als die Anrufe nahezu komplett ausblieben, die sms nicht mehr so großkotzig romantisch und schmeichelnd waren und ich langsam doch erkennen musste, dass ich leider nicht jeden Tag Drehbuchautor sein darf, sondern nur wenn es ihm auch in den Kram passt. Höhepunkt der Eskalation war dann ein Treffen, bei dem wir uns gegenüber standen und er versuchte jeglichen Körperkontakt zu vermeiden. Mit einer abartigen Distanz in der Mimik und Gestik hat er mir rein freundschaftlich banalen Alltagskram aufgetischt. Aufgrund der großen Anziehungskraft zwischen uns hatte diese ausgebremste Szene etwas überaus merkwürdiges und nahezu komisches. Es ist zum ersten Mal aufgefallen, dass wir uns ohne Körperkontakt vielleicht gar nicht so viel zu sagen haben. Damit konnte ich dann natürlich gar nicht mehr umgehen. Mit den monumental dramatischen Worten „Thanks for everything! You are a great person and definitely made a difference in my life. I am very happy that I´ve met you but I think we shouldn´t meet any more!”, beendete ich die Angelegenheit mit einer sms.

So wenig Stil hatte ich mir bisher gar nicht zugetraut! Aber es schien mir in meinem Zustand die einzige Möglichkeit und ein passendes Mittel, um wirklich noch etwas mehr Dramatik und Abartigkeit in die ganze Angelegenheit zu bringen. Schließlich musste ich ja am nächsten Tag meinen ganzen Freunden auch eine interessante Story bieten können und schon allein aus diesem Grund dürfen Langeweile oder einfache bzw. normale Dinge gar nicht erst in meinem Leben existieren.

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