Das Schicksal entscheidet sich mitzuspielen und noch mehr Scherben und Bruchstücke entstehen, die ich versuche verzweifelt zusammen zu fügen
Zusätzlich hatte es sich jedoch auch das Schicksal zur Aufgabe gemacht die ganze Angelegenheit irgendwie spannend und dramatisch zu halten. Gleich am nächsten Tag schon, befand ich mich wieder in einer unerwarteten dramatischen Situation, auf die ich reagieren musste. Mit mehreren wohlverdienten Bier nach der Examensprüfung intus, sah ich mich mit der Situation konfrontiert, genau einen Tisch neben meinem „Exfreund“ zu sitzen und mir alle Mühe zu geben in dieser überraschenden Szene die Oberhand zu behalten. Mit laut schallendem Gelächter und jeder Menge guter Laune übertünchte ich in nahezuher Perfektion die Tatsache, dass ich ganz schön verletzt war, weil wir wie komplette Fremde an unterschiedlichen Tischen genau nebeneinander saßen. Als er sich plötzlich von den Bierbänken entfernte und um die nächste Ecke verschwand, sah ich meine große Chance gekommen das kleine Pflänzchen Liebe, das ich mit zu viel Dünger und Euphorie hatte platzen lassen, doch noch mal zum Leben zu erwecken. Er war definitiv froh mich zu sehen, weil auch ihm die Situation nicht wirklich angenehm war. Nach einer kurzen Entschuldigung von meiner Seite sah ich mir selber dabei zu, wie ich ihm erklärte, dass die von ihm vorgeschlagene Freundschaft auf keinen Fall für mich in Frage käme. Bis zu diesem Punkt ist das ja so weit auch richtig, jedoch hätte die logische Konsequenz, uns nicht mehr zu sehen, sein müssen. Da ich jedoch in den letzten 2 Jahren, ohne mir wirklich darüber bewusst zu sein, meine mühsam in einer schwäbischen Kleinstadt angesammelten Moralvorstellungen nach und nach über Bord geworfen habe, schlug ich ihm eine Affäre vor. Was sozusagen „safe base“ für mich bedeutete, weil ich in dieser Hinsicht ja einiges an Erfahrung sammeln konnte! Nach einem Tag Bedenkzeit hat er dann das vorgeschlagene noch mal schön für mich mit den Worten: „So, if you want to continue just to be involved at a physical level, there's not a lot more I can promise. I will DO my best to give you physical pleasure as you have given ME before!” auf den Punkt gebracht. Selbst zu diesem Zeitpunkt muss ich ehrlich zugeben, war ich noch sehr optimistisch, dass aus dieser Abmachung doch noch eine tiefer gehende Bindung entstehen kann. Nicht, weil mein überaus wacher Verstand mir das sagte, sondern weil da mal wieder mein altbewährtes Bauchgefühl den Verstand ausschaltete. Das hat mich dann vielleicht auch dazu verleitet, als ich an diesem Abend schon wieder zufällig auf ihn stieß (in einer Menschenmasse von mehreren 100 000 Leuten= gedeutet als Wink des Schicksals!), seiner Anfrage, ob er später noch mit zu mir kommen kann, zu zustimmen. Um das Ausmaß meines moralischen Falls seit dem Verlassen der Kleinstadtidylle zu begreifen, sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich mit meiner ehemaligen Affäre zusammen unterwegs war als ich mal wieder total unerwartet in Michelangelos braune Bambi-Augen blickte. Ich verstehe wirklich und überhaupt nicht, wie er mich überhaupt für ein „leichtes Mädchen“ halten kann: Ich habe doch ziemlich unauffällig die Hand meiner Exaffäre von meinem Hintern entfernt, bevor ich mich wieder ihm an den Hals geschmissen habe (Ironie Ende). Interessanterweise ist mir auch am nächsten Morgen, als ich in Michelangelos Armen vor meiner Waschmaschine in der Küche aufgewacht bin, immer noch kein Licht aufgegangen, das wohl irgendetwas definitiv falsch läuft. Das Gefühl der Leere stellte sich erst später ein, als der wundervolle Küchenlover noch vor 11 Uhr die Kurve kratzte, um nicht mit meinen beiden Freundinnen konfrontiert zu werden, die in meinem einzigen Schlafzimmer nächtigten.
In meinem immer verwirrter werdenden Zustand hatte ich zur Abwechslung eine gute Idee und bin zu meiner Familie gefahren, um mich dort wieder etwas aufpäppeln zu lassen. Dort habe ich es mit viel mütterlichem Zuspruch auch einigermaßen geschafft von meinem total theatralisch überzogenen Gefühlstrip einigermaßen wieder runter zu kommen. Es war jedoch nicht unbedingt beruhigend von der eigenen Mutter attestiert zu bekommen, dass man beziehungsunfähig ist, was dann wohl irgendwie die Höchststrafe überhaupt darstellt. Meine Tendenz Menschen zu überfahren mit meinen starken Präferenzen und Ansichten ist keine besonders einfache Eigenschaft, wenn man versucht eine Beziehung aufzubauen. Auch die Tatsache, dass der starke unabhängige Mensch mit hohen Absätzen, den man kennen lernt sich um eine Mogelpackung handelt und sich in kürzester Zeit in einen nicht einmal 1,60Meter großen Klammeraffen verwandeln kann, ist wahrscheinlich für so manchen Mann ein übler Schock. Auf jeden Fall ist es für das zarte Beziehungspflänzchen eine tödliche Mischung, wenn der Angebetete selbst keine starken Präferenzen und Ansichten hat und schon nach dem dritten Treffen am Rand anmerkte: „I don´t know if I will be able to handle you.“ Interessanterweise hatte ich das zu diesem Zeitpunkt eher als Kompliment empfunden und gar nicht dran gedacht, dass ich wohl für manche Menschen einfach „too much“ sein könnte.
Gestärkt durch Muttis mit Liebe gekochtem Essen, kehrte ich nach einer Woche der Pause an den Ort des Geschehens zurück. Im Gepäck hatte ich neben weiterer Verpflegung mein wieder sehr gestärktes Ego und einen Haufen guter Vorsätze. Auch mit von der Partie war mein altbewährter Dickkopf. Nachdem ich schon so viel in die Sache investiert hatte und nachdem ich nun schwarz auf weiß hatte, dass ich wegen dem ganzen emotionalen Disaster meine Examensprüfung versaut hatte, konnte man das ja wohl kaum so auf sich beruhen lassen. Angedacht war von mir ein unverfängliches Abendessen. Deswegen verschlug es mir vor lauter Zorn auch sofort den Atem, als er mir im Chat andeutete, dass er total Hunger auf mich hätte. Unfairerweise hatte ich ihn ja nicht darüber informiert, dass ich einen Sinneswandel durchgemacht hatte und das Affären nun einfach nicht mehr mit meinen moralisch jetzt wieder total hochwertigen Ansichten in Einklang zu bringen waren. Mit der Aussage, dass das wohl eher das Business seiner Hand wäre als meins und ein paar weiteren Kommentaren, die ihn wie ein riesen Arschloch dastehen ließen, verabschiedete ich mich theatralisch aus dem Chat. Auf seine sms, dass er schon wieder wie ein Arsch wirkt und das nicht beabsichtigt hätte, gab ich ihm deutlich zu verstehen, dass ich die Nase voll hätte von seinen Entschuldigungen und kurz davor wäre wirklich zu glauben, dass er wirklich der „jerk“ sei, der er ständig bestreitet zu sein. Beabsichtigt war dadurch definitiv, dass dieser Satz seinen Ehrgeiz anspornt doch kein „jerk“ sein zu wollen. Völlig überrascht stellte ich jedoch fest, dass er sich dadurch noch mehr zurück zog und mir zu verstehen gab, dass er es verstehen kann, wenn ich keinen Kontakt mehr mit ihm haben will.
Obwohl die Situation an dieser Stelle wirklich mehr als verfahren war und irgendwie die Chancen schlecht standen, dass sich die einzelnen Scherben und Bruchstücke einer ehemals guten Sache noch mal wieder zusammensetzen lassen würden, griff ich noch mal ganz tief in die Trickkiste und verfasste eine weitere E-Mail an ihn. Ich fragte ihn was mit der wundervollen Person passiert wäre, mit der ich so bezaubernde Tage auf dem Schloss und an dem Weiher verbracht hätte. In der selben Nacht kam noch die Antwort, dass er immer noch diese Person sei, sie aber manchmal nicht mehr sein wollte, weil er zu viele eigene Probleme hätte und mich definitiv nicht mehr verletzen wolle. Daraufhin kam ungefähr 2 Wochen nach unserem letzten Treffen endlich wieder ein persönlicher Kontakt zustande. Es war ein wirklich schöner Abend mit ihm. Eingekuschelt in seine starken Arme saß ich im Abendrot am Neckar und genoss total seine Anwesenheit und die Gespräche mit ihm. Wir haben viel zusammen gelacht und er hat mir anvertraut, dass er einen überaus interessanten Tick hat, der mich sehr stark an Fernsehkommissar Monk erinnerte. Es war an dem Abend wieder so, wie wenn nie irgendetwas zwischen uns schief gelaufen wäre. Magnetisch voneinander angezogen klebten wir wieder aneinander und ließen kaum eine Gelegenheit aus, um uns zu Küssen. Irgendetwas ausdiskutiert, abgesehen von allgemeinen Diskussionen über Werte und Ansichten, haben wir eigentlich nicht, sondern bloß die Anwesenheit des anderen genossen. Trotz besserer Vorsätze konnte ich es auch kaum lassen, ihn mit nach Hause zu nehmen. Sich dann noch etwas näher in den Armen zu liegen ist auch definitiv eine Sache, die man sich nur ungern entgehen lässt, wenn man so ein anhänglicher Mensch ist wie ich.
Ein weiterer triftiger Grund:
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In dieser Nacht schlief ich das erste Mal seit langem wieder richtig gut. Ich fühlte mich überaus glücklich und war wieder total überzeugt, dass sich nun alles ändern würde. Es blieben nur geringe Zweifel in Bezug auf die Frage, was wohl passieren würde, wenn man das Eisen wieder ein Stück von dem Magneten entfernt und die Anziehungskraft auf die Distanz schwächer wird……